Glas in der Architektur der 70er Jahre


Das vorliegende Referat entstand im Rahmen des Seminars "Bauen mit Glas" am Institut für Baugeschichte der Universität Karlsruhe im Wintersemester 1998/99. Der Text ist bis auf die Anpassung der Überschriften unverändert, d.h. in „alter“ Rechtschreibung. Aktuell würde man auch „1970er“ statt „70er“ schreiben, ein größeres Verständnisproblem dürfte sich aber erst ab 2070 ergeben...


1. Einleitung

Das Thema dieses Referats lautet Glas in der Architektur der 70er Jahre, aus diesem Grund werde ich im Folgenden vier Projekte vorstellen, die die Verwendung des Baustoffs Glas in der Zeit von 1970 bis 1980 beispielhaft zeigen, wobei die einzelnen Projektbeschreibungen chronologisch, des Zeitpunkts ihrer Planung nach erfolgen. Das Referat beschränkt sich dabei auf die meist sehr umfangreich und ausführlich dokumentierten Projekte europäischer Büros. Teilweise läßt sich bei den ausgewählten Architekten in ihren Arbeiten die Entwicklung der Glastechnologie noch deutlicher herausarbeiten.


2Dia1

Beginnen möchte ich dabei mit einem Projekt von Otto Steidle in München aus dem Jahr 1971. Es handelt sich dabei um die Wohnanlage in der Genter Straße. Es folgt die Beschreibung des Europäischen Patentamts in München, geplant von Gerkan, Marg und Partner. Daraufhin richtet sich der Fokus auf zwei Projekte in Großbritannien, nämlich das Willis Faber & Dumas Bürogebäude in Ipswich von Foster Associates und das Hopkins House von Michael und Patti Hopkins.


2. Otto Steidle & Partner - Wohnanlage

"Ein Haus, das nicht alltäglich ist, das aber um so mehr durch seinen lebendigen Alltag geprägt wird, ist Otto Steidles Münchner Büro in der Genter Straße. Es befindet sich in jener Reihenhausanlage, die er 1970 kurz nach seinem Abschluß an der Kunstakademie in München gebaut hat. Durch die Kombination eines aus dem Industriebau kommenden, vorfabrizierten Traggerüstes mit einem veränderbaren, leichten Ausbausystem wurde ein neuer Haustypus geschaffen, der bis heute nichts von seiner erfrischenden Leichtigkeit verloren hat." So charakterisiert Florian Kossak die 1970-71 entstandene Wohnanlage im Münchner Stadtteil Schwabing. Ein zweiter Bauabschnitt entstand 1974-76.

2.1 Biographie

Otto Steidle wurde 1943 in Milbertshofen bei München geboren. Nach dem Abitur und einem längerem Baupraktikum bei einem Maurer schrieb er sich 1961 bei der Staatsbauschule, einem Vorläufer der heutigen FH, ein. Kurz nach dem Diplom 1965 gründete Otto Steidle sein erstes Büro, Muhr und Steidle. Gleichzeitig studierte er nun an der Münchner Kunstakademie als Meisterschüler unter dem Lehrer Sep Ruf weiter. Den Abschluß des Studiums bildete das Diplom mit dem Thema "Tragstruktur für prozeßhaftes Wohnen", diese Arbeit beinhaltet bereits das Grundkonzept für die Wohnanlage Genter Straße.

2.2 Vorbilder und Entwicklung

Otto Steidles Wohnbebauung ist, wie er in einem Interview ausführte, beeinflußt durch Motive aus der Natur, in der es immer ein relativ konstantes Gerüst (z.B. Baumstamm) und einen flexiblen, veränderlichen Teil (z.B. Blüten, Blätter und Früchte) gibt. Konkretes ästhetisches Vorbild ist für die Bebauung der Genter Straße der Züricher Pavillon von Le Corbusier.

2.3 Konzept Städtebau

2epi01
Der erste Bauabschnitt der Wohnsiedlung liegt zwischen Genter Straße und einem Wohnweg, der von dem zweiten Bauabschnitt gegenüber begrenzt wird. Entlang der Osterwaldstraße und Peter-Paul-Althaus-Straße befinden sich die Bauabschnitte, die 1974-76 entstanden sind.

2.4 Innere Organisation - Grundrisse

2epi02a
Otto Steidle arbeitet bei der Erschließung mit einer differenzierten Abstufung vom öffentlichen zum privaten Raum hin.

2epi02d

Sie beginnt auf einem öffentlichem Wohnweg und führt über einen sogenannten internen Kommunikationsbereich zu den Eingängen. Hier wird der Anspruch Otto Steidles deutlich, eine Architektur für die Bewohner zu schaffen, die die Kommunikation untereinander ermöglichen und fördern soll. Allerdings ist dabei trotzdem die Privatheit der Erdgeschoßwohnungen durch einen Sichtschutz aus Pflanzen gewährleistet. Die Wohnungen an sich sind klar nach ruhigen Bereichen und aktiven Bereichen zoniert. Die einzelnen Typen sind dabei sehr großzügig bemessen.

2epi02b

Ihre Grundrisse erstrecken sich oft über mehrere Niveaus und enthalten Galerien, um das leichte Tragsystem erfahrbar zu machen.

2epi02c

2.5 Technik - Details

Schon in seiner Diplomarbeit beschäftigte sich Otto Steidle mit der Entwicklung von elementierten Tragwerks- und Ausbausystemen.

2epi03a

Für die Wohnbebauung nutzt er konsequent die Anfang der 70er Jahren zur Verfügung stehenden standartisierten Bauelemente. So verwendet Otto Steidle als Tragwerk ein Tragsystem aus dem Industriebau. Dieses flexible Tragsystem besteht aus vorgefertigten Betonstützen, die in die Fundamente eingespannt werden, wobei die Stützen Konsolen aufweisen, auf denen dann vorfabrizierte Betonträger aufgelegt werden können. Die Befestigung der Träger erfolgt entweder über Schrauben, oder durch das Auflegen auf einen Dorn. Ergänzt wird das starre Traggerüst dann von den Ausbauelementen, welche es auch später, je nach Wünschen der Bewohner, noch erlauben Räume zusätzlich zu schaffen, oder ohne größeren Aufwand umzubauen.


2epi04b

Die Ausbauelemente bestehen dabei entweder aus wärmegedämmten, geschlossenen Sandwichelementen, die in leuchtend bunten Farben lackiert sind, oder aus großflächigen Glaselementen. Die Aluminiumunterkonstruktion der Glaselemente ist dabei dunkel gehalten, damit sie sich bei Tag stark von der relativ hellen Grundkonstruktion aus Beton abheben. Bei Nacht kehrt sich dieser Effekt dann um: die Glasflächen scheinen hell vor der jetzt dunklen Tragwerkskonstruktion.

2epi04a

Damit die Konstruktion durch aufgebrachte Dämmstoffe nicht verunklärt wird, oder deren Leichtigkeit verloren geht, wurden Wärmebrücken an den Nahtstellen von Tragwerk und Ausbausystem bewußt in Kauf genommen.


3. Gerkan, Marg und Partner - Europäisches Patentamt


2Dia2

Anfang der 70er Jahre wurde der Wettbewerb für das Europäisches Patentamt in München an der Isar - Aue ausgeschrieben. Gewonnen wurde er von dem Büro von Gerkan, Marg und Partner 1971. Die Realisierung erfolgte nach heftigen Debatten über den Standort aber erst in den Jahren 1975 bis 1979.

3.1 Biographie
Meinhard von Gerkan wurde 1935 in Riga geboren. Nach der Flucht 1945 vom Baltikum nach Deutschland wuchs er bei Pflegeeltern auf. 1953 begann er für drei Semester Physik und Jura zu studieren, gab dies jedoch auf und wendete sich der Architektur zu.
Sein Architekturstudium absolvierte er in Berlin und Braunschweig, wo er 1964 diplomierte. Volkwin Marg wurde 1936 in Königsberg, Ostpreußen geboren. Mit seiner Familie flüchtete auch er nach dem Krieg nach Deutschland. Nach dem Abitur 1955 begann Volkwin Marg sein Architekturstudium. Wie bei Meinhard von Gerkan waren Stationen dabei Berlin und Braunschweig, allerdings verbrachte Volkwin Marg noch einige Zeit in Delft. Im Jahr 1965 gründeten die Beiden Ihr gemeinsames Büro.

3.2 Konzept Städtebau

Das Gelände für den Neubau des Europäischen Patentamts in München liegt direkt an den Isar - Auen, unweit der Museumsinsel des Deutschen Museums und in direkter Nachbarschaft des Deutschen Patentamts zwischen der Baader Straße mit ihrer alten Bebauung und der Erhardtstraße.

2epi05a

Der Entwurf nimmt die Bauhöhe des benachbarten Patentamts auf und wurde dem dominanten Turm des Deutschen Museums untergeordnet. Niedrigere Sekundärbaukörper mildern die Maßstabsdifferenz zwischen dem Neubau und den Gebäuden des Bestands, indem sie deren Höhen aufnehmen.

2epi05b

Das Ursprüngliche Konzept aus dem Wettbewerb für das Europäische Patentamt sah neben dem zentralen Baukörper mehrere seitliche Anbauten vor, die einen stärkeren Bezug zu dem Deutschen Museum auf der Museumsinsel und dem Deutschen Patentamt aufbauen sollten, diese fielen allerdings einem geänderten Bebauugsplan zum Opfer. Anstatt, wie ursprünglich vorgesehen eine geschlossene Bauflucht an der Isar zu erzeugen, wurde darauf zugunsten einer Ausweitung der Auenlandschaft mit ihrem charakteristischen Baumbewuchs, wie auch beim Maximilianeum und anderen Öffentlichen Bauten an der Isar, verzichtet.

2epi06

3.3 Innere Organisation - Grundrisse

Der Zugang zu dem Gebäude erfolgt &üuml;ber einen öffentlichen Fußweg durch den frei zugänglichen Park, geleitet von dem großen Vordach, direkt auf den Kern zu, der die beiden polygonal geknickten Hauptbaukörper trennt und die Erschließung des Komplexes enthält.

2epi07a

Die Trennung der Baukörper an dieser Stelle dient aber nicht nur der Erschließung, sondern ermöglicht es auch den Fußweg durch das Gebäude Richtung Corneliusstraße weiterzuführen.

2epi07b

Im Innern ist die Organisation im wesentlichen funktional bestimmt. In den Sockelgeschossen sind die halböffentlichen Bereiche, wie Lesesäle der Bibliothek, ein Restaurant und die Gerichts- und Konferenzsäle untergebracht, die auch als Konferenzzentrum vermietet werden können. Im Kern besteht die Vertikalerschließung aus einem System von Rolltreppen, daß es dem Benutzer ermöglicht während der Fahrt nach oben den Ausblick auf München, bzw. die Isar zu genießen. Außerdem soll dieses Erschließungssystem die Isolation eines Aufzugs vermeiden. Durch die Rolltreppen gelangt man in die Büroräume, die einen Großteil des Komplexes ausmachen. Hier liegt auch der Bereich der Zentralregistratur, die einen Funktionsschwerpunkt innerhalb des Patentamts darstellt.

2epi08a

Nach außen wird dies durch die Einschnürung in der Fassade deutlich gemacht, womit wiederum gleichzeitig der Maßstab der Umgebung in dem Gebäude aufgenommen wird. Die Büroräume sind innerhalb der kreuzförmigen Struktur in zwei Reihen entlang eines Erschließungsgangs angeordnet. Die Tragstruktur basierend auf dem Grundmodul von 1,2 m × 5,4 m ist jedoch so flexibel gewählt, daß sie auch andere Organisationsformen, beispielsweise Großraumbüros ermöglicht. Die Flexibilität der Tragstruktur, wurde auch in dem Ausbausystem fortgeführt. So lassen sich z. B. die Trennwände problemlos demontieren.

3.4 Technik - Details

Die großzügige Verwendung von Glas und der Hell - Dunkel Kontrast der Glas- und Metalloberflächen unterstützten durch ihre unterschiedlichen Reflexionen die kristalline Struktur der Baukörper.

2epi08b

Das ganze Gebäude wirkt wie ein Glaskörper, der von einem zweiten Körper aus Metall umhüllt ist. Die Metallstruktur enthält dabei die vorgeschriebenen Fluchtwege, die in Form von Fluchtbalkonen das Gebäude umziehen.


4. Norman Foster Associates - Willis Faber & Dumas Bürogebäude

Nach diesen zwei Beispielen aus Deutschland erfolgt jetzt der Sprung nach Großbritannien. In der englischen Stadt Ipswich steht eines der bekanntesten Gebäude des Büros Foster Associates, das Verwaltungsgebäude von Willis, Faber & Dumas.

2Dia3

Dieses Gebäude, von zwischen 1971 und 1972 entworfen und dann bis 1975 ausgeführt und war der Durchbruch für Norman Foster und sein Büro.

4.1 Biographie Norman Foster

Norman Foster wurde 1935 in Manchester geboren, nach dem Schulabschluß arbeitete er zunächst bei der Gemeindeverwaltung seiner Heimatstadt. 1953 bis 1955 leistete er seinen Militärdienst als Elektrotechniker bei der britischen Luftwaffe. Nebenbei erwarb er den Pilotenschein und wurde zu einem begeisterten Flieger. Nach einem Praktikum in einem Bauatelier begann Norman Foster ein Architekturstudium an der Universität von Manchester. Nach dem Diplom studierte Norman Foster als Stipendiat an der Universität von Yale weiter, wo er 1962 den Master of Architecture erwarb. 1963 erfolgte dann die Gründung des ersten Büros, Team 4 zusammen mit Su Rogers, Wendy Cheeseman und Richard Rogers.
Nach der Auflösung von Team 4 1967 erfolgte bald die Gründung von Fosters Büro Foster Associates, in dem auch der Architekt Michael Hopkins, dessen eigenes Haus im letzten Teil des Referats vorgestellt wird, mitarbeitete.

4.2 Entwicklung und Einfluß

Foster Ideen für seine Arbeit kommen oft aus architekturfremden, eher technischen Bereichen. Dinge, wie Ölbohrinseln, Flugzeuge, Raumfahrzeuge, Raketen und ähnliches üben in ihrer Komplexität und zweckgebundenen Formgebung eine große Faszination auf ihn aus. Es finden sich aber auch Vorbilder aus dem Bereich der Architektur, zum Beispiel in den Arbeiten von Fuller, Williams, Eames, oder Prouvé. Ein Vorläufer des Willis Faber & Dumas Gebäudes in konzeptioneller Hinsicht ist sicherlich Ludwig Mies van der Rohes Entwurf für einen Wolkenkratzer in Berlin aus dem Jahr 1919, ein Büroturm mit freien Grundrissen und einer gläsernen Fassade aus einzelnen, schmalen Glaspaneelen, die sich der freien Grundform anpassen können.

2epi09

Dieser Entwurf konnte allerdings aufgrund der damals noch nicht zur Verfügung stehenden Glastechnologie nicht realisiert werden. Die technologischen Voraussetzungen wurden erst 1952 von der Firma Pilkington mit der Erfindung des Floatglasverfahrens geschaffen. Im Gegensatz zu Mies van der Rohes Entwurf wirkt Fosters Entwurf aufgrund der verwendeten getönten Sonnenschutzgläser tagsüber nicht transparent, sondern eher massiv. Als weiteres Vorbild für seine Arbeit wurde von Norman Foster 1983 anläßlich der Verleihung der Gold Medal of Architecture des Royal Institute of British Architects (RIBA) das Daily Express Gebäude von Sir Owen Williams 1939 benannt.

4.3 Städtebauliches Konzept

Das Grundstück für das Gebäude befindet sich in kleinen englischen Stadt Ipswich mit ihren geschwungenen mittelalterlichen Straßen.

2epi10a

Der Platz für den Neubau wurde durch den Abriß vorhandener Bauten geschaffen. Foster nutzt dieses Gelände vollständig aus, indem er die Gebäudekanten, wie bei den schon bestehenden Gebäuden auch, direkt auf die Grundstücksgrenzen mit der Baulinie setzt.

2epi10b

Als Folge davon paßt sich das Willis Faber & Dumas Building durch seine Form besser, als ein rechteckiges Volumen in die vorhandene, kleinteilige Struktur ein, das alte Stadtbild wird also bewahrt.

2epi11b

Wie auch schon bei dem zusammen mit Richard Buckminster Fuller 1971 entwickelten "Climatroffice" wurde auch bei dem Willis Faber & Dumas Bürogebäude durch die Form ein niedriges A/V - Verhältnis erzeugt, damit die Energieverluste durch die große Glasfassade nicht zu sehr ins Gewicht fallen und der Gesamtenergieverbrauch reduziert wird.

2epi11a

4.4 Innere Organisation - Raumkonzept

Die durch das tiefe Grundstück und dessen vollständige Ausnutzung zustande gekommene Gebäudetiefe ist auch ideal für den in dieser Zeit immer stärker aufkommenden Typus des Großraumbüros. In enger Zusammenarbeit mit der Direktion von Willis Faber & Dumas wurde ein Gebäudekonzept für einen Bürobau entwickelt, welches die Arbeit in den Mittelpunkt stellt und ein ideales Arbeitsumfeld schafft. Die Vorteile eines derartigen Großraumbüros sind in den folgenden zur Verdeutlichung angefertigten Cartoons dargestellt. Zitat zu den offenen Grundrissen: "... die Orientierung ist unmittelbar: Sie wissen immer, wo Sie sind, man kann sich frei bewegen, die Sonne dringt überall hin, es gibt nur wenige visuelle Barrieren"

2epi12

Die Arbeitsbereiche mit offenem Grundriß liegen auf zwei Ebenen zwischen dem Eingangsniveau und dem Dachgeschoß mit Dachterrasse und Restaurant.

2epi13

Diese Nutzungsebenen werden durchbrochen von den halböffentlichen diagonalen Lichthof, in dem auch die Erschließung mittels Rolltreppen ihren Platz hat. Diese Anordnung hat den Vorteil, daß von der Firma nicht genutzte Büroflächen ohne großen Aufwand vermietet werden können und die Belichtung der Büroflächen verbessert wird. Die Erschließung durch eine Rolltreppe soll die Kommunikation der Mitarbeiter untereinander verbessern, da die Atmosphäre auf dadurch besser wird, als in einem engen Aufzug, indem die Mitarbeiter zusammengepfercht sind, es findet sich hier also eine ähnliche Motivation für die Verwendung von Rolltreppen, wie bei dem bereits vorgestellten Europäischen Patentamt.

2epi14a

Diese Großraumanordnung wurde aber nicht nur positiv bewertet, Kenneth Frampton kritisiert sie als ein System der totalen Ordnung und Überwachung, allerdings scheinen die Mitarbeiter, die, wie auch das Direktionspersonal, schon in der Planungsphase an dem Projekt beteiligt wurden, anderer Meinung zu sein. Die Betonung bei der Konzeption auf die Arbeitsplätze setzt sich nahtlos bei den Materialien fort. Der Foyerbereich mit dem Empfang wurde nicht besonders hervorgehoben, sondern besteht, wie das ganze Erdgeschoß aus Sichtbeton. Der Bodenbelag ist der gleiche Gummibelag, wie in den Toiletten und Heizräumen auch. Alle Wände bestehen aus Metall und sind demontierbar.

4.5 Grundrisse

Im Erdgeschoß befinden sich sowohl der fußläufige Eingang, als auch die Öffnungen für Zulieferer, ein Schwimmbad für die Angestellten, Kinderkrippe, Gymnastikraum, Platz für die Computer, sowie die gesamte technische Gebäudeausrüstung.
Die technischen Gebäudesysteme für Heizung, Kühlung und Klimatisierung wurden bewußt im Erdgeschoß untergebracht, da in der Umgebung der Grundwasserspiegel sehr nahe an der Oberfläche liegt. Ausschachtungen wären sehr kostspielig geworden und so wurde entschieden, auf einen Keller ganz zu verzichten. Auch das Dachgeschoß sollte nicht für die Gebäudetechnik geopfert werden, um einen Dachgarten, als Ruhezone für die Angestellten zu schaffen. Vom Erdgeschoß führt die bereits erwähnte Rolltreppe in die darüberliegenden Stockwerke und schafft so die räumliche Verbindung vom Eingang bis zur Dachterrasse. Im ersten und zweiten Obergeschoß befinden sich die offenen Büroflächen, nur unterbrochen durch die Servicekerne mit Toiletten, vertikaler Leitungsführung und den Nottreppen. Die Büroflächen enthalten keinerlei sonstige optische Barrieren, selbst die Büros der leitenden Angestellten sind nur durch Möbelstücke getrennt. Im dritten Stock, der Freizeitzone, befinden sich dann die Kantine für die Angestellten mit Restaurant und Cafeteria als ein Glaspavillon inmitten eines Gartens. Der Rest der Fläche ist für den Dachgarten vorbehalten.

4.6 Technik - Details

Die Tragstruktur des Gebäudes besteht aus einem regelmäßigem Raster von 14 mal 14 Metern, welches den Einbau des Schwimmbades sowie Abstellplätzen für Lkws möglich machte. Ergänzt wird diese Grundstruktur von einer Stützenreihe mit sieben Metern Abstand parallel zur Fassade. Aussteifende Kerne im Innern des Gebäudes nehmen die Windlasten aus der Fassade auf. Diese Konstruktion ermöglicht die freie Anordnung der Arbeitsplätze in den Büroebenen. Unterstützt wird diese Flexibilität im Grundriß durch eine entsprechend flexible technische Anlage, die auf Umstrukturierung der Arbeitsplätze reagieren kann.

2Dia5

Das Tragwerk ist das einzige vor Ort hergestellte Bauteil, alles andere wurde vorgefertigt und erst dann auf der Baustelle montiert, um Zeit zu sparen und die Qualität der Bauteile und der Konstruktion zu erhöhen. Aus diesem Grund wurden erstmals für einen Entwurf von Foster ständig Prototypen von wichtigen Bauteilen hergestellt und auf ihre Leistungsfähigkeit und mögliche Fehler getestet.

2epi14b

Zitat Norman Fosters zu der Notwendigkeit des Modellbaus: "Die Ingenieure sind nicht ausgebildet, Zeichnungen anzufertigen, die das Aussehen des Objekts, an dem sie arbeiten, zeigen: Um ein Rohr darzustellen, machen sie beispielsweise nur einen Strich. Es wurde ihnen bewußt, daß dieses Modell ein kostbares visuelles Instrument war, aber ebenso ein sehr nützliches wirtschaftliches. Modelle ermöglichen es, das Aussehen und das Funktionieren eines Objekts zu verbessern, indem sie seine starken und schwachen Punkte deutlich machen sowie die Änderungen, die angebracht werden müssen, um die Wirksamkeit zu verbessern. Letzten Endes führt dies zu wesentlichen Einsparungen. Wir stellen die Modelle in Originalgröße auf unsere oder bei Einwilligung des Bauherrn auf dessen Kosten her; die zusätzlichen Ausgaben, die sie zu Beginn verursachen, werden weitgehend durch die Betriebseinsparungen, die sie später bringen, kompensiert. Der letzte Ort, der als Versuchsfeld benutzt werden kann, ist doch die Baustelle. Können Sie sich vorstellen, daß ein Ingenieur der Luftfahrttechnik ein Flugzeug auf einem Feld herstellt?" Zum Schluß der Vorstellung des Willis Faber & Dumas Gebäudes ein Blick auf den hervorstechensten Teil der Konstruktion: der Fassade.

2Dia4

Da sich in den Gebäuden, die Foster vor dem Willis Faber & Dumas Gebäude gebaut hat sehr gut die Entwicklung des Glastechnologie in den 70ern zeigen läßt, möchte ich an dieser Stelle etwas ausführlicher auf andere Bauten Fosters eingehen, die in den Jahren davor entstanden sind.

2Dia6

Die Fassade hat Ihre ästhetischen und technischen Vorgänger in der Fassade für den IBM Sitz in Cosham und der von Fosters Büro in London und schafft das, was 1922 bei Mies van der Rohe technisch noch nicht möglich war: eine nahtlose Hülle aus Glas. Bereits bei dem IBM Sitz in Cosham, einem nur für eine temporäre Nutzungszeit ausgelegten, eingeschossigen Flachbau besteht die gesamte Fassade nur aus Glas.

2epi15a

Die Glasfassade ist hierbei allerdings in ihrer Konstruktion noch nicht so minimiert, sondern als Pfosten - Riegel Konstruktion ausgeführt. Die gleiche Konstruktion wies auch Fosters Büro in der Fitzroy Street in London auf. Nach einem IRA Bombenanschlag in der Nähe, bei dem die Glasfassade zerstörte wurde, eröffnete sich die Möglichkeit die Fassade mit einer neuartigen Ganzglaskonstruktion wieder aufzubauen. Dabei waren jetzt auch die Fassadenstützen aus gehärtetem Glas, was die Leichtigkeit und Transparenz nochmals erhöhte. Bei dem Willis Faber & Dumas Gebäude war in der Phase des Vorentwurfs ein Befestigungssystem, welches lediglich aus vertikalen Halterungen aus polierten Stahlröhren bestand, ähnlich dem des IBM Sitzes, geplant.

2epi15b

Diese Version ist noch in der Innenraumperspektive der Arbeitsräume des Vorentwurfs zu sehen. Im Lauf des Entwurfs wurde die Glashülle dann immer mehr zu einem eigenen Entwurf mit Martin Francis als beratenden Ingenieur. Die hohe Zugfestigkeit von vorgespanntem Glas wurde genutzt, um die gesamte Vorhangfassade von den Geschoßdecken abzuhängen.

2epi15d 2epi16a

Die einzelnen Glasplatten sind jeweils zwei mal zwei Meter groß und bestehen aus Sonnenschutzglas, um eine Überhitzung der Räume im Sommer zu vermeiden. Befestigt sind diese Glasscheiben an abgehängten Glasfinnen, oder -schwertern, die wiederum an der Geschoßdecke befestigt sind und die Konstruktion auch aussteifen.

2epi16b

Die Verbindung der einzelnen Scheiben miteinander erfolgt mittels damals üblicher Klemmplatten, die zylindrische Drehgelenke aufweisen, um sich der geschwungenen Fassadenform anzupassen. Abgedichtet ist die Glasfläche dann mit Silikon. Traditionelle Elemente aus der Umgebung, wie ein Sockel, oder ein Gesims werden nur leicht angedeutet. Die Anpassung an den Kontext erfolgt durch die Spiegelung desselben in den Gläsern. Diese dünne Hülle aus Glas, die den Komplex von Boden bis zum Dach umhüllt macht den Großteil des Reizes dieses Gebäudes aus. Tagsüber paßt es sich als grauer Monolith in die heterogene Umgebung ein, reflektiert und bricht sie durch ihre Facetten. Nachts kehrt sich die Wirkung des Gebäudes um, die Hülle verschwindet und gibt das Innere mit seiner Struktur und seinen Funktionen dem Betrachter preis.

2epi17

Zitat Norman Fosters zur Fassade: "...wie sollte man die Fenster einer Versicherungsgesellschaft gestalten, die doch nur eine Papierfabrik ist? Wir dachten, es hätte eine dynamische städtebauliche Wirkung, wenn wir das Innere dem Blick der Öffentlichkeit aussetzten würden, und die Leute würden aufgrund der Tatsache, daß sie zu sehen sind, auch sorgfältiger mit ihrem Gebäude umgehen."


5. Michael und Patti Hopkins - Wohnhaus

Im Jahre 1976 entstand in London das Haus von Patti und Michael Hopkins.

2Dia7 2Dia8 2Dia9

Es sollte nicht nur als Wohn- und Bürogebäude für das gerade gegründete Architekturbüro dienen, sondern auch als Demonstrationsobjekt und Versuchsträger, bei welchem die Techniken für größere, kommerzielle Gebäude erprobt werden sollten.

5.1 Biographie Michael Hopkins

Michael Hopkins, geboren 1935, arbeitete erst einige Zeit in verschiedenen Architekturbüros, bevor er 1959 sein Studium an der Londoner AA begann. Nach dem Abschluszlig; arbeitete Hopkins bei verschiedenen Büros, bis er bei Foster Associates anfing und dort maßgeblich an dem Bau des IBM Sitzes in Cosham und dem Willis Faber & Dumas Gebäude in Ipswich beteiligt war. 1976 gründete er zusammen mit seiner Frau Patti Hopkins sein Büro Michael Hopkins and Partners, dessen Sitz sich anfänglich in dem jetzt vorzustellenden Haus befand.

5.2 Entwicklung

Als Inspiration für das Wohnhaus könnte das Eames House von Charles und Ray Eames im kalifornischen Pacific Palisades gedient haben zu dessen Konzept sich parallelen ergeben.

2epi18a

Auch dieses 1947 gebaute Haus besteht, wie das Hopkins House aus einer Vielzahl vorfabrizierter Elemente und war das erste in Modulbauweise gefertigte Haus.

5.3 Konzept Städtebau

Das Gebäude der Hopkins wurde im gutbürgerlichen Londoner Stadtteil Hampstead errichtet. Es steht dort in der Flucht von alten Villen in georgianischen und Regency - Stil, nimmt jedoch sonst keinerlei Bezüge seiner Umgebung auf.

2epi18b

Die Grundrißgröszlig;e wurde im Nordwesten und Südosten durch die Baulinien der vorhandenen Gebäude bestimmt, im Südwesten und Nordosten durch die Breite des zur Verfügung stehenden Grundstücks begrenzt. Dabei wurde ein Abstand von jeweils einem Meter zu den Nachbargebäuden eingehalten, um Ärger wegen Begrenzungsmauern zu vermeiden. Aus diesen Randbedingungen entstand eine Grundfläche von 10 x 12 m, verteilt auf zwei Stockwerke ergibt sich daraus die benötigte Fläche von ungefähr 240 m2.

2epi18

5.4 Innere Organisation - Raumkonzept - Grundrisse

Vom Straßenniveau aus gesehen scheint das Gebäude eingeschossig zu sein, allerdings ist es jedoch tatsächlich zweigeschossig, da das Grundstück nach Südosten hin steil abfällt und ein Großteil der Grundstücksfläche drei Meter unter Straßenniveau liegt.

2epi20a 2epi20b

Der Zugang zu dem Haus erfolgt von Downshire Hill her über eine kleine, filigrane Brücke aus Lochblechen, die den steilen Abhang überspannt. Auf dem Eingangsniveau befinden sich der Wohnraum, der Schlafraum der Eltern, sowie die Räumlichkeiten für das Architekturbüro. Über die leicht asymmetrisch angeordnete Stahlwendeltreppe gelangt man in das private Untergeschoß mit den drei Kinderzimmern, der Küche und dem Eßbereich. Außerdem erfolgt von dort aus der Zugang zum Garten. Die Räume sind aber nicht so fest vorgegeben, da die flexible Konstruktion auch andere Aufteilungen zuläßt und so verschiedenen, sich im Laufe der Zeit ändernden Anforderungen gerecht werden kann.

5.5 Konstruktion - Technik - Details

Die Schaffung eines völlig flexiblen, stützenfreien Raums auf der Grundfläche von 10 x 12 m wäre durchaus möglich gewesen, allerdings entschieden sich die Hopkins für ein anderes Tragsystem.

2epi21a

Sie wählten ein sehr viel kleineres Raster von 2 x 4 m, die Gebäudehülle entsteht so aus drei Modulen in der Breite und aus fünf Modulen in der Länge. Durch dieses Raster konnte die Konstruktion aus 60 mm Vierkantstahlprofilen und den in zwei Richtungen gespannten Fachwerkträgern sehr leicht und filigran gehalten werden. Gleichzeitig konnte bei den Fassadenbekleidungen und Verglasungen auf eine Sekundärstruktur verzichtet werden, die Elemente wurden einfach an den im Abstand von zwei Metern stehenden Außenstützen befestigt. Die Nord- und Südfassaden bestehen vollständig aus geschoßhohen, horizontal durch verschieben öffenbaren Glasflächen.

2epi22a 2epi22b

Die Seitenwände, ursprünglich auch aus Glas geplant, erhielten eine Verkleidung aus wärmegedämmten Formblechen. Für die Raumabschlüsse im Innern wurden spezielle feste Wandpaneele entwickelt, die in das Raster passen, meist werden allerdings die unterschiedlichen Bereiche durch die gleichen Jalousien getrennt, die auch die Überhitzung im Sommer und Wärmeverluste im Winter verhindern sollen. Der durch die Ölkrise in den 70ern aufkommende Kritik an der großzügigen Verglasung und ihren Wärmeverlusten begegnet Hopkins mit der Aussage, daß durch Berechnungen nachgewiesen wurde, daß das Gebäude die damaligen Energieverbrauchsstandarts um 20% unterschreitet, was sicherlich auf die milde Umgebung zurückzuführen ist. Allerdings, entgegnet er weiter, sparen sie dadurch Energie, da sie in dem gleichen Gebäude leben und arbeiten, und sie daher nichts für die Fahrten zum Arbeitsplatz verbrauchen. Zitat Patti Hopkins: "Es stand außer Frage, daß das Haus ganz aus Metall und Glas bestehen sollte. Für uns war es eine Möglichkeit, die Techniken, die bei großen Industriebauten angewendet wurden, zum erstenmal im kleineren Maßstab weiterzuentwickeln. Alle Konstruktionselemente und Verbindungen sollten klein und mehrfach verwendbar sein, Fußböden und Wände aus dünnen Membranen bestehen und auch als solche in Erscheinung treten ... Durch den kleinen Raster von 4 x 2m waren nur kurze Träger erforderlich, und wir konnten auf alle sekundären Konstruktionen verzichten. Die äußeren Stützen stehen dicht genug beieinander, um direkt als tragende Bauteile für die Fassade und die Verglasung dienen zu können. Die acht Stützen im Innern des Hauses gliedern den Raum und ermöglichen verschiedene Unterteilungen, sind aber gleichzeitig unauffällig genug, um den Raumeindruck nicht zu stören, wenn keine Unterteilungen notwendig sind."


6. Literaturverzeichnis

Michael Wiggington, "Glas in der Architektur"; Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 1997

Mathias Schreiber, "Deutsche Architektur nach 1945. 40 Jahre Moderne in der Bundesrepublik"; Deutsche Verlags - Anstalt, Stuttgart, 1986

Daniel Treiber, "Norman Foster"; Birkhäuser, Basel - Berlin - Boston, 1992

Norman Foster, "Buildings and Projects of Foster Associates - Volume 2 - 1971-78"; Ernst und Sohn, Berlin, 1989

Davies, Colin; "High-Tech Architektur"; Hattje, Stuttgart, 1988

Deyan Sudjic, "Norman Foster, Richard Rogers; James Stirling"; Thames and Hutson; London, 1986

François Chaslin, "Norman Foster: Beispielhafte Bauten eines spätmodernen Architekten"; Deutsche Verlags - Anstalt, Stuttgart, 1987

Aldo Benedetti, "Norman Foster"; Verlag für Architektur Artemis, Zürich und München, 1990

Architectural Review, 9/75

Architectural Design, 3/76

Architectural Design, 9-10/77

Norman Foster, "Buildings and Projects of Team 4 and Foster Associates - Volume 1 - 1964-73"; Ernst und Sohn, Berlin, 1989

Colin Davies, "Hopkins. Michael Hopkins and Partners Bauten und Projekte"; Ernst und Sohn Verlag, Berlin, 1993

Deyan Sudjic "Glass House in Hampstead"; Architects Journal, 13.07.77

Martin Pawley; Architects Journal, 16.10.85

John Winter, "House in Hampstead"; Architectural Review, 12/77

-/-, "Architects Own House"; RIBA Journal, 8/77

Christopher Gotch, "London Now"; RIBA Yearbook, 1980

Von Gerkan, Marg und Partner / Meinhard von Gerkan, "Architektur 1978 -1983"; Deutsche Verlags - Anstalt, Stuttgart, 1983

-/-, "Europäisches Patentamt in München"; Detail, 6/81

Peter Davey, Architectural Review, 6/81

Otto Steidle, "Werkmonographie"; Vieweg, Braunschweig, Wiesbaden, 1985

Otto Steidle, "Bewohnbare Bauten"; Artemis

Gerhard Ullmann, "In die Jahre gekommen..."; Deutsche Bauzeitung (db), 2/93

Otto Steidle, "Fassaden"; Krämer - Verlag, Stuttgart, 1995